Auf die Frage, ob man bei Patienten mit erheblicher Parodontitis ein Implantat setzen darf oder auf konventionelle Verfahren wie beispielsweise eine herausnehmbare Brücke ausweichen sollte, antwortete der isländische Zahnarzt und Wissenschaftler Prof. Dr. Bjarni E. Pjetursson (Reykjavik) kürzlich anlässlich eines Implantologie-Kongresses in Potsdam Mit einem „Jein": Es käme nicht zuletzt auf den Patienten an und auch auf die Ursachen und Hintergründe seiner Parodontitis. Lägen überwindbare Gründe für die Zahnbettentzündung vor, und sei eine systematische Parodontitis-Behandlung erfolgversprechend, spräche aus seiner Sicht nichts gegen ein Implantat in der entzündungsbefreiten Region. Kritischer sei es, wenn die Parodontitis zurückzuführen ist auf nicht ausreichende Mundhygiene – und der Patient zudem den Eindruck vermittelt, sich auch nach systematischer Behandlung seiner Zahnbettentzündung nicht intensiver um die Mundgesundheit zu kümmern. Ein Implantat in ein bakteriell infiziertes Gewebe zu setzen habe ein hohes Risiko für eine Periimplantitis, eine Entzündung des Gewebes rund um das Implantat. Insofern müsse der Kiefer nicht nur weitgehend entzündungsfrei sein, sondern auch entzündungsfrei bleiben, was deutliche Anforderungen an die Mundhygiene stelle. Das Risiko einer Infektion im Implantatbereich gelte auch für Patienten, die aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht zu einer wirklich guten Mundpflege fähig seien. In kritischen Fällen sei es für die Patienten besser, einen konventionellen und leicht zu reinigenden Zahnersatz zu erhalten.
Die Mundhöhle mit all ihren angrenzenden Strukturen ist Teil des Körpers und damit eines komplexen Organismus – und sie ist eine seiner wesentlichen Eintrittspforten. Das beschrieb Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, zu Jahresbeginn in einem Beitrag für eine Fachzeitschrift. Die Mundhöhle sei eine Körperregion, die wie kaum eine andere so empfindlich sei für Sinnesreize und so komplex motorisch gesteuert. Zwangsläufig ergäben sich daraus zahlreiche Interaktionen von Mundgesundheit und körperlicher Gesundheit. Parodontitis beispielsweise sei nicht nur eine der Folgeerkrankungen des Diabetes, sondern umgekehrt auch ein Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes, und sie beeinflusse auch dessen Therapie. Bakterielle Ursachen und die sich daraus entwickelnden entzündlichen Reaktionen brächten die Parodontitis in Verbindung mit Herzkreislauferkrankungen, Rheuma, Lungenerkrankungen und weiteren Gesundheitsstörungen. Auch psychosomatische Erkrankungen könnten sich im Zahn-, Mund- und Kieferbereich zeigen. Zahnärzte könnten bei Munduntersuchungen Zeichen für mögliche allgemeinmedizinische Erkrankungen erkennen und insofern den Patienten die Chance eröffnen, bei hinzugezogenen Fachärzten eine frühzeitige Behandlung zu beginnen.
Für viele ist diese Kombination noch Neuland: Was hat Kieferorthopädie mit Implantologie zu tun? Eine ganze Menge, wie Oberärztin Dr. Susanne Wriedt (Mainz) kürzlich bei einem implantologischen Fachkongress in Berlin darstellte. Beispielsweise könne mit kieferorthopädischen Verfahren eine zu enge Zahnlücke so verbreitert werden, dass ein Implantat ausreichend Kieferknochen und Weichgewebe vorfindet, um stabil einheilen zu können. In Fällen, wo es an ausreichend gesundem Kieferknochen fehlt, kann unter bestimmten Bedingungen ein kieferorthopädisches Vorgehen für mehr natürlichen eigenen Knochen sorgen. Falls ein Implantat in eine Zahnreihe eingesetzt werden muss, die selbst oder deren gegenüberliegende Zähne nicht in einem guten Kontakt stehen, können spezielle kieferorthopädische Apparaturen ein harmonisches Miteinander in der Kaufunktion ermöglichen. Aber auch umgekehrt profitieren beide zahnmedizinischen Fächer voneinander: Manches kieferorthopädische Ziel ist nur dann zu erreichen, wenn kleine Implantate als „Anker" für die Apparatur zur Zahnbewegung zur Verfügung stehen. Patienten sollten sich daher nicht wundern, wenn ihr implantologisch arbeitender Zahnarzt zu einer vorbereitenden kieferorthopädischen Behandlung rät: In bestimmten Fällen lassen sich dadurch chirurgische Begleit-Eingriffe sogar vermeiden.
Es gebe sehr viele Studien, die zeigten: Patienten in hohem und sehr hohem Lebensalter unterschätzten oft den Gesundheitszustand ihres Gebisses erheblich – darauf wies Prof. Dr. Bernd Wöstmann (Gießen) bei einem Implantologie-Kongress im Frühjahr in Berlin hin. Sie seien „zufrieden" mit teilweise zerstörter, von bakteriellem Zahnbelag massiv belasteter Prothetik. Während einige dieser alten Patienten auch – so eine Studie an seiner Klinik – bei einem Angebot für kostenlose Neuversorgung keinerlei Interesse zeigten, hatte die andere Hälfte der Befragten das Angebot gern angenommen. Auch eine Implantatversorgung konnten sich die Betagten vorstellen – für bessere Lebensqualität. Implantate verbesserten beispielsweise das Kauvermögen sowie das Sprechvermögen und erhöhten die Sicherheit, die „Dritten" nicht so leicht zu verlieren. Zwar hätte sich die Ernährung der alten Patienten bei neuer Prothetikversorgung nicht verbessert und die Patienten seien ihren „Ernährungssünden" treu geblieben – dennoch zeigten weitere Studien, dass bei einer Anzahl von mindestens 21 Zähnen die Chance auf einen BodyMassIndex/BMI im normalen Bereich bemerkenswert erhöht sei. Angehörige von älteren und alten Patienten sollten diese daher hinsichtlich besserer Prothetik beraten, nicht aber unter Druck setzen: Alte Menschen, zumal mit Anzeichen einer Demenz, kämen mit neuen Prothesen aus vielen unterschiedlichen Gründen oft nicht mehr gut zurecht. Wenn Betroffene dagegen aufgeschlossen sind für eine Änderung ihres Zahnersatzes, werde er meist auch gut angenommen.
Mundschleimhauterkrankungen gehören zu den Krankheitsbildern, bei denen mehr als früher auf geschlechterspezifische Unterschiede geachtet wird – darauf wies Privatdozentin Dr. Dr. Christiane Gleissner, Präsident der Fachgesellschaft „Gender Dentistry", in einem Fachgespräch mit Journalisten hin. Mundschleimhauterkrankungen seien häufig chronisch-entzündlicher Natur, sie könnten zudem im Mund sichtbare Symptome von Autoimmunerkrankungen sein. Von diesen seien Frauen häufiger betroffen. Sie hätten ein aktiveres und erfolgreicher arbeitendes, zudem langsamer alterndes Immunsystem als Männer. Dieser Unterschied habe gute und weniger gute Effekte für die Frauen: Einerseits hätten sie dadurch eine bessere Infektabwehr, andererseits aber auch ein erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen. Auch Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen seien bei Frauen häufiger als bei Männern. Aktuelle Studien aus China ließen geschlechterspezifische Aspekte auch bei genetischen Ursachen von Mundschleimhauterkrankungen erkennen. Die derzeit sehr aktive Forschung ermögliche, so die Hoffnung der Wissenschaftler, bessere Vorbeugung und Behandlung.
Viele Studien untermauern die Erfahrungen in der Praxis: Wenn ein Patient starker Raucher ist (mehr als beispielsweise 15 Zigaretten pro Tag), ist das Risiko, dass ein geplantes Implantat nicht gesund einheilt oder gar wieder heraus fällt, deutlich erhöht. Rauchen ist nicht nur schädlich für Herz und Lunge, sondern auch für die Gefäße. Raucher haben ein erhöhtes Risiko für eine Parodontitis (Zahnbettentzündung), und sie heilt zugleich bei sorgfältiger systematischer Parodontitis-Behandlung auch schlechter ab. Grund dafür: Die Wundheilung ist deutlich reduziert. Wie Prof. Dr. Bjarni E. Pjetursson (Reykjavic, Island) bei einem Fachkongress im März dieses Jahres berichtete, können „einfache Implantationen" dennoch erfolgreich sein – wenn die Patienten das Rauchen einstellen oder drastisch reduzieren. Größere Risiken sah er bei sogenannten Augmentationen, das heißt, bei Verfahren, die mit Hilfe von Knochenersatzmaterial für eine ausreichende Knochenmenge sorgen, um dem Implantat einen festen Stand zu geben: Das Misserfolgsrisiko sei bei Rauchern deutlich höher als bei Nichtrauchern. Auch nach der Implantation sollte man nicht wieder in das alte Rauchverhalten zurückfallen: Gemäß einer Studie an der Universität von Manchester (Großbritannien) verlieren starke Raucher, die nach der Implantation weiter rauchen, doppelt so oft ein Implantat wie Nichtraucher. Dennoch sind Implantate bei Rauchern nicht unmöglich: Zusammen mit dem Patienten, so Pjetursson, könne man heute für fast jede Herausforderung eine Lösung finden.
Im Mundinneren, genauer: an der Mundschleimhaut kann es zu vielen verschiedenen Störungen und Krankheiten kommen. Sie sind oft auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen. Was Laien für eine „Zahnfleischentzündung" (Gingivitis, sehr verbreitet) halten, könnte insofern auch eine „Stomatitis" (seltener) sein. Die Stomatitis, die fast immer größere Bereiche des Mundes und des Gaumens betrifft, hat ebenso wie die Gingivitis, die eher rund um die Zähne auftritt, weitgehend die gleichen Ursachen, wie Prof. Dr. Nicole Arweiler/Marburg vor wenigen Wochen in einem Interview herausstellte: Bakterien, Pilze, Viren, aber auch Verletzungen oder Kontakt mit chemischen bzw. allergischen Schadstoffen. In den Symptomen dagegen unterscheiden sich beide Mundentzündungen deutlich: Während eine Gingivitis durch gerötete und bei Berührung oft blutende Schleimhaut zu erkennen ist, geht eine Stomatitis darüber hinaus meist einher mit allgemeinen Symptomen wie Fieber, Mundtrockenheit, erhöhtem Speichelfluss und manchmal auch Bläschen. Auch ein intensiver Mundgeruch ist möglich: Die Stomatitis wurde daher früher als „Mundfäule" bezeichnet. Bei Veränderungen an der Mundschleimhaut solle man in einer Zahnarztpraxis nach den Ursachen schauen lassen – schon allein, um einer ungünstigen Verschlimmerung Einhalt zu gebieten.
Ein interdisziplinäres Wissenschaftler-Team an der Charité hat die Biostruktur der Zahnsubstanz Dentin („Zahnbein") und deren innere Abläufe entschlüsselt. Ausgangspunkt für die Studie war die Beobachtung, dass – anders als Knochen – Dentin weder Risse noch Brüche wieder heilen oder notfalls reparieren kann. Dennoch muss es einen Schutz geben, der dafür sorgt, dass Schäden an diesem organischen Material gar nicht erst entstehen und wenn, dann begrenzt bleiben. Bei der Studie wurde deutlich, dass Nano-Strukturen diese Schutzfunktion übernehmen. Es hat sich gezeigt, dass mineralische Nanopartikel in ein dichtes Netz aus Kollagenfasern eingebettet sind. Werden diese Strukturen zusammengedrückt, werden die Mineralteilchen komprimiert. Dabei entstehen im Dentin Spannungen, die die Belastbarkeit der Biostruktur deutlich erhöhen. So ergibt sich ein gewisser Schutz für den Zahn gegen Risse oder Brüche. Das Wissen kann beispielsweise dazu beitragen, noch effizientere Dental-Keramiken zu entwickeln, die den starken Kräften, aber auch den Zahn-Zerstörungs-Risiken im Mund besser Widerstand leisten.