Zahnseide gehört zu den Mundhygiene-Hilfsmitteln, die bei manchen Menschen auf Ablehnung stoßen: Die Handhabung sei zu kompliziert. Insofern ist es interessant, dass sich eine Studie (North Carolina, USA) kürzlich der Frage widmete, ob Zahnseide denn auch tatsächlich wirklich relevant für Hygiene und Mundgesundheit ist. Im Blickpunkt der Wissenschaftler standen vor allem Auswirkungen auf Zahngesundheit und Zahnbettgesundheit, insbesondere mit Blick auf die Mundgesundheit der älteren Bevölkerung: Ihr Gewebe reagiert anfälliger auf Belastungen. Es zeigte sich, dass ältere Menschen eher seltener Zahnseide nutzen als jüngere, und von den Nicht-Anwendern nutzten weniger Menschen die regelmäßigen Kontrolltermine bei ihrem Zahnarzt. Deutlich wurde, dass vor allem Frauen und Menschen mit höherem Bildungsgrad Zahnseide in ihr Mundhygiene-Ritual einbezogen. Die über 5 Jahre laufende Studie, die auch weitere Entwicklungen berücksichtigen konnte, legte klar einen Zusammenhang zwischen Zahnseide-Nutzung und deutlich besser Mundgesundheit dar. Zahnseide-Nutzer neigten zudem deutlich seltener zu Zahnverlust als die Vergleichsgruppe. Die Wissenschaftler empfehlen den Praxen, so früh wie möglich Zahnseide als festen Bestandteil in die Mundhygiene-Instruktionen mit aufzunehmen, und den Patienten, sie fest in ihr persönliches Zahnputz-Ritual zu integrieren.
Es ist keineswegs so, dass Wissenschaft und Praxis in der Zahnmedizin Beobachtungen und Erfahrungen von Patienten mit Materialien oder Behandlungsschritten nicht ernst nehmen: Auch wenn nicht jede „Befindlichkeit" eine fachliche Prüfung beispielsweise durch eine Studie nach sich zieht, gibt es doch immer wieder sehr ernst zu nehmende Hinweise wie beispielsweise zu Verträglichkeiten. In den implantologisch tätigen Praxen hören die Teams manchmal (wenn auch sehr selten), dass ihre Patienten meinen, eine „Titan-Allergie" zu haben. Titan ist das nach wie vor häufigste, zudem am besten erforschten Material für Zahn-Implantate. Ende September dieses Jahres hat sich eine Wissenschaftlergruppe in der DGI, der Fachgesellschaft für Implantologie, zu genauso einem Punkt ausgetauscht: Was passiert im Körper, wenn Patienten meinen, eine Titan-Allergie zu haben? Die Moderatorin der Expertenrunde, Dr. Lena-Katharina Müller (Universität Mainz) berichtete darüber kürzlich in einer Zahnärztezeitung. Deutlich wurde: Eine klassische Allergie auf Titan gibt es nicht, eine Titan-Unverträglichkeit kann aber sehr wohl vorkommen. Grund: Während das Implantat selbst aus reinem Titan besteht, handelt es sich bei der Tragekonstruktion für die Zahnkrone aber um einen Materialmix für die bedarfsgerechte Stabilität. Es kann insofern, so die Wissenschaftlerin, tatsächlich auf manche Inhaltsstoffe einer solchen Legierung allergisch reagiert werden. Eine Werkstoff-Allergie ist leicht zu testen und bei entsprechend bekannten Allergiepatienten im Vorfeld der Behandlung sinnvoll. Schwieriger ist es mit einer „Unverträglichkeit", passende Tests gibt es nicht, insofern bleiben eine gute Anamnese und Befunderhebung wichtig. Da manche Symptome, die Patienten ihrem Implantat zuweisen, bekannt sind für eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen, sollte – so die Wissenschaftlerin – eine Explantation erst dann erfolgen, wenn keine anderen möglichen Ursachen in Frage kommen. Alternativ kann bei entsprechender Ausgangslage beim Patienten bei der Implantation auch auf eine Implantat-Alternative aus Keramik zurückgegriffen werden.
Nicht nur Zahnärzte erleben immer wieder, dass Patienten von regelmäßiger und sorgfältiger Mundhygiene berichten – und trotzdem sind die Zähne nicht wirklich sauber und neigen zu Schäden. Auch Patienten selbst erleben manchmal Zahnbelag-Folgen wie Mundgeruch, obwohl sie doch gerade erst Zähne geputzt hatten. Solche Erfahrungen hat ein Forscherteam zum Anlass genommen, sich der Frage zu widmen, warum guter Wille bei der Zahnpflege allein nicht reicht. In manchen Familien werden die Zähne täglich mehrfach geputzt – und trotzdem sind sie nicht sauber. Woher kommt das? Die Gießen-Marburger Forschungsgruppe prüfte daher, inwieweit die Probanden die klassischen Mundhygiene-Empfehlungen überhaupt umsetzen konnten: Kauflächen, Außenflächen, Innenflächen, Zahnzwischenräume – und nicht zuletzt Wischen statt Schrubben. Es zeigte sich, dass die Kinder die Innenflächen deutlich zu kurz reinigten und die Außenflächen eher schrubbten als sie sanft wischend zu reinigen. Nur: Die Fähigkeiten ihrer Eltern erwiesen sich als kaum besser: Fast jede dritte Zahnbelag-Messstelle am Zahnfleischrand war auch nach dem Zähneputzen nicht wirklich sauber. Der Zusammenhang von Zahnputzverhalten der Eltern und dem der Kinder erwies sich als überdeutlich. Die Wissenschaftler empfehlen, so eine Fachzeitschrift, auch die Eltern in entsprechende Prophylaxe-Schulungen mit einzubeziehen.
Bereits seit vielen Jahren wird intensiv nach der Ursache der sogenannten „Kreidezähne" gesucht – fachlich: MIH / Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation. Das bedeutet, dass der Zahnschmelz der Kinder nicht stabil „gewachsen" ist und bröckelt. Die Ursache scheint von innen und nicht von außen zu kommen – so weit sind sich die Wissenschaftler heute einig. Insofern gilt der Frage, was „von innen" für die Schmelzstörung verantwortlich sein könnte, die derzeit intensivste wissenschaftliche Arbeit. Wie der „BARMER Zahnreport" vor einiger Zeit aufgrund vorgefundener statistischer Zusammenhänge darstellte, könnten Antibiotika-Gaben in der Wachstumszeit der Kinder zu solchen Zahn-Entwicklungsstörungen führen. Diesem Gedanken folgen derzeit mehrere Forschungsteams – aber auch Kinder- und Jugendärzte, die kürzlich darauf hinwiesen, so eine zahnärztliche Fachzeitschrift, dass daraus keine Umkehrschlüsse gezogen werden dürfen, nun gar keine Antibiotika mehr zu verordnen: Nach wie vor gebe es schwere und die Entwicklung des Kindes belastende Erkrankungen, die dringend der Antibiotika-Therapie bedürfen. Wichtig sei aber, diese auch nur dann einzusetzen, wenn Abwarten und Alternativen keine wirkliche Option sind. Nicht zuletzt die Erkenntnisse rund um die „Kreidezähne" machten deutlich, dass mit noch mehr Verantwortung als bisher schon solche Medikamente eingesetzt werden sollten.
Mit den zunehmenden Erkenntnissen rund um die Zusammenhänge von Parodontitis und Allgemeingesundheit verändert sich nicht nur der Blick auf die Auswirkungen, die die bakterielle Zahnbettentzündung auf die Allgemeingesundheit hat: Hier sind bereits viele enge Verbindungen zu Diabetes, Herzerkrankungen und Stoffwechselstörungen bekannt und gut dokumentiert. Mehr und mehr richtet sich der Blick der zahnmedizinischen Wissenschaft nun aber auch auf die umgekehrte Fragestellung: Wie ist der Allgemein-Gesundheitszustand eines Patienten, der eine Parodontitis entwickelt? Warum kann sich die Parodontitis bei diesem Patienten entwickeln, und muss man diesen Patienten anders behandeln als andere? Entsprechendes Wissen hat großen Einfluss auf die Ausbreitung von Zahnbettentzündungen in der Bevölkerung, aber auch auf die Entwicklung einer passgenaueren Therapie. Dass das Geschehen rund um die Parodontitis nicht nur im Mund eine Rolle spielt, sondern alles zusammen betrachtet werden muss, machte vor wenigen Wochen Prof. Dr. Moritz Krebschull aus dem Entwicklerteam der neuen Parodontitis-Leitlinie in einem Fachzeitungs-Interview deutlich. Beispielsweise zeige dieser Denkansatz, dass eine Therapie auf zwei Wegen statt einem erfolgen sollte – einerseits hinsichtlich der Situation im Mund, andererseits aber auch hinsichtlich der allgemeingesundheitlichen Risikofaktoren.
Was im Kiefer passiert, wenn durch ausgeübten Druck auf die Zähne ein Zahn von seinem Platz ein Stück weiter an die geplante Ziel-Position wandert, wussten die Fachzahnärzte für Kieferorthopädie aufgrund ihres langjährigen spezifischen Aufbaustudiengangs schon immer. Mit weiter voranschreitender Untersuchungstechnik wird aus dem Wissen, wie und dass es funktioniert, auch ein Wissen, wie genau es funktioniert. Für eine wissenschaftliche Arbeit zu diesem „wie genau" ist kürzlich Prof. Dr. Anna-Christin Konermann, Universität Bonn, von der kieferorthopädischen Fachgesellschaft DGKFO (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) mit einem hochwertigen Preis ausgezeichnet worden. Sie hatte die Prozesse mit Blick auf zellbiologische Vorgänge untersucht. Ihr Fokus lag dabei auf der Reaktion bestimmter Zellbereiche, die von den Zahnbewegungen berührt werden. Die Arbeit machte deutlich, wie sich die Zellen und das Zahngewebe vor den Überlastungen durch den kieferorthopädischen Druck schützen. Einerseits kann man mit den Erkenntnissen also besser erkennen, wie man mögliche Überlastungs-Schäden verhindern kann – andererseits bieten sie aber vielleicht auch Potential für ganz neue kieferorthopädische Verfahren. Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe um Professorin Konermann wird das Studienthema weiter vertiefen.
Mit den vertieften Möglichkeiten der moderner werdenden Forschung stellen sich auch manche bisherigen Themen neu dar, Beispiel: der Zahnbelag, fachlich „die Plaque". Über sehr viele Jahre ging man davon aus, dass „die Plaque" kariogen ist, heißt: den Zahnschmelz schädigt. In der Plaque vorkommende Bakterien haben einen Stoffwechsel, und die ausgeschiedenen Säuren lösen die marmorartige obere Zahnschicht auf. Das ist nach wie vor nicht falsch, jedenfalls nicht ganz falsch: Auch heute ist der Zahnbelag der relevante Faktor beim Kariesgeschehen. Ist er regelmäßig entfernt, haben die Zähne eine sehr gute Chance, gesund zu bleiben. Nur sieht man die Plaque selbst heute mit etwas differenzierenden Augen: Wie Dr. Lutz Laurisch, Präventionszahnmediziner, kürzlich in einer zahnärztlichen Fachzeitung berichtete, interessieren sich die Wissenschaftler inzwischen vor allem für die Zusammensetzung des Zahnbelags, darunter für die Frage, wie hoch der Anteil an säurebildenden Keimen ist. Um die Zusammensetzung zu bestimmen, biete sich eine Speicheldiagnostik an, sagte der Zahnmediziner. Entsprechende Ergebnisse bilden die Grundlage für eine Kariesprophylaxe, die über die rein mechanische Entfernung des Zahnbelags hinausgeht. Je nach Ergebnis könne eine vertieft diagnosebasierte individualisierte Prophylaxe für den Patienten entwickelt werden.
Ernährung spielt nicht nur für die Allgemeingesundheit eine große Rolle, sondern sowohl direkt als auch indirekt für die Mundgesundheit. Insbesondere Kinder in der Wachstumsphase benötigen daher eine Ernährung, die die natürlichen Entwicklungsprozesse in der richtigen Richtung unterstützen. Leider ist das in Deutschland nicht wirklich Alltag: Wie eine Studie von Foodwatch und der Deutschen Allianz ergab, haben trotz vielfacher Hinweise von Wissenschaft und Kinder(zahn)medizin rund 85 Prozent aller Kinderprodukte einen überhöhten Anteil an Zucker. Auch enthalten diese Produkte zu viel Salz und zu viel Fett. Nach den Richtlinien der WHO sollten solche Produkte nicht für Kinder angeboten werden. Die Bundeszahnärztekammer beispielsweise hatte bereits im Jahr 2018 konkrete Forderungen für Kindernahrungsmittel erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt, darunter beispielsweise die Aufforderung, nicht zuletzt hinsichtlich des Zuckergehaltes der Produkte eine für Laien verständliche Kennzeichnung aufzubringen. Grundsätzlich müsse der Zuckergehalt in Kindernahrungsmitteln erheblich gesenkt werden. Es sei bedauerlich, so die Bundeszahnärztekammer aktuell, dass der Appell an einen freiwilligen Zuckerverzicht und ausreichende Kennzeichnung bislang nicht gefruchtet habe.