Fast jeder dritte Patient in der zahnärztlichen Praxis habe Risikofaktoren, sagte der Präsident der wissenschaftlichen Deutschen Gesellschaft für Implantologie, Prof. Dr. Dr. Knut A. Groetz, kürzlich bei einer Fortbildungsveranstaltung für seine Kolleginnen und Kollegen. Die Spanne reicht von Allergien bis Krebs. Wenn es um die Versorgung mit implantatgetragenem Zahnersatz geht, sind vor allem solche Erkrankungen eine Herausforderung, die mit einer Wundheilungsstörung einhergehen: Implantate werden in das Knochen- und Zahnbett-Gewebe des Kiefers eingesetzt und wachsen mit dem Gewebe zusammen, kurz: Sie heilen ein. Das funktioniert nur, wenn dieser Heilungsprozess nicht gestört wird – beispielsweise durch ein nicht gesundes Immunsystem. Krankheiten, die mit Immunstörungen einhergehen, sind beispielsweise solche aus dem rheumatischen Bereich. In diesen Fällen werden die betroffenen Patienten oft mit Medikamenten behandelt, die die Leistungsfähigkeit des gegen den eigenen Organismus arbeitenden Immunsystems unterdrücken, um den Patienten Besserung zu verschaffen. Dies wiederum ist eine Herausforderung für die Implantatversorgung, die für ein gesundes Einheilen ein weitgehend intaktes Immunsystem benötigt. Insofern sind heute Implantate bei Patienten mit Risikofaktoren zwar grundsätzlich möglich – das Beispiel Rheuma zeigt aber auch, dass in jedem Einzelfall entschieden werden muss, ob das Setzen eines Implantates dem Organismus des Patienten zugemutet werden kann.
Der Mund ist nicht nur für die Ernährung eine Eintrittspforte, sondern auch für unterschiedliche Keime – viele davon braucht der Körper für verschiedene Aufgaben nicht zuletzt rund um den Stoffwechsel. Einige aber erweisen sich, wenn sie überhand nehmen und das Gleichgewicht aller Keime aus dem Lot kommt, als krankheitserregend. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren intensiv geforscht, weil Mund-Bakterien nicht nur für das Entstehen einer Parodontitis ausschlaggebend sind, sondern, wenn sie weiter durch den Körper wandern, auch für Infektionen verschiedener Organe. Je besser man die jeweilige Bakterienfamilie kennt, und je genauer man weiß, wie sie mit anderen Keimen oder auch Pilzen im Mund auskommt, um so besser kann man sie bekämpfen. Dabei rücken immer mal wieder auch solche Bakterien in das Blickfeld der Wissenschaftler, die bisher eine eher nachgeordnete Rolle gespielt hatten. Ein solches Bakterium ist das Fusobacterium nucleatum, wie ein Fachartikel in einer zahnärztlichen Zeitschrift kürzlich darstellte. Eigentlich ist seine Rolle im „Biotop Mund" eher nachgeordnet – ist das Gleichgewicht der Keime aber gestört, zeigt sich seine Infektionen auslösende und Gewebe auflösende Potenz. Dieses Fusobakterium gehört zudem zu solchen Keimen, die über die Blutbahn auch in andere Organe gelangen. Im Rahmen der professionellen Zahnreinigung wird mit unterstützenden Maßnahmen dazu beigetragen, auch diesen Mundkeim soweit zu beseitigen, dass das gesunde Gleichgewicht der Bakterien weitgehend wieder hergestellt werden kann.
Nicht nur in der Medizin, sondern auch in der Zahnmedizin gibt es vielfältige Erkrankungen oder Folgen von Unfällen, die zum Verlust von natürlichem Gewebe führen – nicht zuletzt zum Verlust von Knochensubstanz. Insofern ist es eine große Aufgabe für die Wissenschaft, für den jeweiligen Bedarf biologisch überzeugendes und der entsprechenden Belastung angepasstes Ersatz-Gewebe zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um möglichst schonende Verfahren, Gewebe aus dem eigenen Körper an die Operationsstelle zu transplantieren, sondern auch um Neuentwicklungen von Fremdmaterialien. Ein spannendes Projekt dieser Art bearbeitet gerade das Uniklinikum in Bonn: Knochenersatzmaterial, das zusammen mit einer Art Gittergewebe den Knochendefekt auffüllt und zudeckt. Diese Konstellation sorgt für mehr Flexibilität beim Einheilen als eine eher starre Knochenblock-Lösung oder das Arbeiten mit künstlichen Knochenersatz-Granulaten: Die Positionierung der „Granulat-Kügelchen" ist bisher nicht perfekt steuerbar, weil eine „Halterung" fehlt. Diese soll nun durch eine Art Netz aus Spinnenseide ermöglicht werden, so die Bonner Wissenschaftler.
Dass Bakterien und ihre Stoffwechselprodukte hauptverantwortlich für die Entwicklung einer Zahnbett-Entzündung (Parodontitis) sind, ist hinlänglich bekannt, auch den Patienten. Nun haben Wissenschaftler der Charité in Berlin entdeckt, dass die Bakterien bei ihrer Gewebe-zerstörenden Arbeit kraftvolle Unterstützung haben: eine Amöben-Art. Der Öffentlichkeit bekannt sind Amöben beispielweise durch die sogenannte Amöbenruhr, eine weltweit verbreitete schwerwiegende Erkrankung. Während in diesem Fall Darm-Amöben das Gewebe zerstören, sind es beim Zahnbett spezielle Mund-Amöben. Amöben sind einzellige Parasiten. Sie greifen die Schleimhaut an und ermöglichen krankmachenden Bakterien ein leichteres Eindringen in das Gewebe. Die Forscher haben entdeckt, dass vier von fünf Parodontitis-Patienten solche Amöben in der Zahnfleischtasche aufweisen, aber nur rund 15 Prozent der Menschen mit gesundem Zahnbett. Überprüft wird jetzt, ob es vielleicht an den bisher unterschätzten Amöben liegt, wenn eine Parodontitis-Behandlung nicht so anschlägt wie erwartet. Derzeit gibt es noch keinen einfach anwendbaren Amöben-Test, aber auch hier sind die Wissenschaftler auf einem weiterführenden Weg. Derzeit geht es vor allem darum, die Bakterien zu entfernen, die den Amöben den Weg ins Gewebe bereiten. Hierbei kann eine sorgfältige professionelle Zahnreinigung hilfreich sein.
Auch beim Thema Kariesentfernung geht die Wissenschaft immer weiter voran – manchmal auch, weil neue Produkte neue Möglichkeiten schaffen. Über einen solchen Fortschritt berichtete vor wenigen Wochen eine große deutsche zahnärztliche Fachzeitschrift. Während es bisher üblich war, bei einer Karies nicht nur das zerstörte und bakterienbelastete Zahnmaterial „herauszubohren", sondern sicherheitshalber auch die umliegende, oft schon aufgeweichte Zahnhartsubstanz, geht man zunehmend differenzierter an die Aufgabe heran. Einer der Gründe: Wenn die Karies schon etwas weiter fortgeschritten ist, kommt der Bohrer in die Nähe der Pulpa, dem innenliegenden Lebensraum von Zahnnerv, Blutgefäßen und weiterem Gewebe. Die durch den Bohrer ausgelöste Vibration und mögliche Verletzung der Trennwand kann hier zu Schädigungen führen. Eine neue Studie brasilianischer Forscher stellt ein Verfahren in den Mittelpunkt, das letztlich gar nicht mehr alles „entfernt": Die innere aufgeweichte Zahnhartsubstanz wird vor Ort belassen und unter einer Zahnfüllung gewissermaßen „versiegelt". Die verbliebenen Kariesbakterien werden somit von Nahrung und Lebensbedarf abgeschnitten, und die von ihnen ausgelöste Gewebezerstörung wird gestoppt. Ziel der Studie, die verschiedene Kariesentfernungs-Verfahren verglich, war die Antwort auf die Frage, welches Vorgehen den Zahn und die Pulpa am wenigsten schädigt: Am erfolgreichsten war das „Versiegelungs"-Verfahren. Das Verfahren findet zunehmend, wo es sinnvoll ist, bereits Anwendung in den Zahnarztpraxen.
Zahnschmerzen fragen nicht danach, ob es gerade eine gute oder eine weniger gute Zeit für deren Behandlung ist. Wenn behandelt werden muss, dann muss es sein. Dafür sind die Zahnarztpraxen in Deutschland auch in Corona-Zeiten da. Trotzdem ist manches anders als gewohnt. Worauf man heute achten und was man auch als Patient bedenken muss, hat kürzlich der Deutsche Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) zusammengestellt und veröffentlicht. Zuerst einmal sollten Termine telefonisch ausgemacht werden. Man sollte auch darauf vorbereitet sein, dass man nach eigener Erfahrung mit dem Corona-Virus befragt wird – also ob man erkrankt war und/oder ob das Virus in einem positiven Test nachgewiesen wurde. Falls man in (vom Gesundheitsamt angeordneter) Quarantäne lebt, muss dies auch der Zahnarztpraxis übermittelt werden, damit entsprechende Vorkehrungen zum Schutz aller Seiten getroffen werden können. Selbst wenn es keine bereits festgestellte Corona-Erkrankung gibt, muss das Praxispersonal wissen, ob typische Erkältungsanzeichen vorliegen wie Husten, Fieber, Schnupfen – und auch ein Hinweis auf Durchfall ist wichtig: All diese Symptome beispielsweise könnten auch auf eine Corona-Virus-Erkrankung hindeuten. Dass das Praxispersonal mit vielfältigen Schutzmaßnahmen bis hin zu einem Gesichts-Visier angetroffen wird, dient der Gesundheitsvorsorge aller. Das Team sieht anders aus als gewohnt. Aber man darf sicher sein: Der Zahnschmerz wird genauso gut behandelt wie immer.
Wie eine renommierte zahnärztliche Fachzeitschrift kürzlich berichtete, sprechen sich nicht nur Ärzte und Zahnärzte, sondern auch Patienten dafür aus, dass Diabetes-Typ-2 auch in der Zahnarztpraxis diagnostiziert werden sollte. Das ist das Ergebnis einer Studie an der Zahnmedizinischen Fakultät der Universität Birmingham. Ohnehin hat bereits im vergangenen Jahr eine internationale Leitlinie aus dem Bereich Medizin und Zahnmedizin mehr Zusammenarbeit von Zahnärzten und Ärzten gefordert – Hintergrund ist, dass eine Zahnbett-Entzündung (Parodontitis) nachweislich erheblichen Einfluss auf den Verlauf einer Diabetes-Typ-2-Erkrankung hat, nicht zuletzt auch im Bereich der Therapie. In der Zahnarztpraxis, die Anlauf-Stelle nicht zuletzt bei Zahnbett-Erkrankungen ist, könnten Fragebögen und Bluttests einen Hinweis auf eine Diabetes-Erkrankung ergeben und damit den Bedarf nach einer Weiterbehandlung in einer entsprechenden Fachpraxis. Eine solcherart abgestimmte Zusammenarbeit von Zahnärzten und Ärzten stuften auch die Patienten als begrüßenswert sein: Ihnen kam besonders entgegen, dass die Ergebnisse frühzeitig zur Verfügung stehen könnten.
Seit vielen Jahren erkunden Partner-Universitäten der Weltgesundheitsorganisation WHO unter anderem das Mundhygieneverhalten von Kindern und Jugendlichen – für Deutschland leistet dies das Institut für Medizinische Soziologie der Universitätsmedizin Halle/Saale. Bei der aktuellen Studie, deren Ergebnisse Anfang März 2020 veröffentlicht wurden, stellte sich heraus: Während nur jedes sechste Mädchen (befragt waren rund 4000 Schulkinder ab 5. Klasse) angab, sich lediglich einmal täglich die Zähne zu putzen, bestätigte jeder vierte Junge das nachlässige Verhalten. Das Geschlechter-Ergebnis, dass sich mehr Mädchen als Jungen die Zähne mehr als einmal täglich putzen, blieb über alle befragten Altersklassen vergleichbar. Dennoch gab es einen bemerkenswerten Unterschied: Im Verlauf der Pubertät blieb das Zahnputzverhalten der Mädchen auf dem vergleichsweise hohen Niveau, während dasjenige der Jungen mit zunehmendem Alter weiter absank. Einen bei Jungen offenbar deutlichen Einfluss auf das Putzverhalten hat der soziale Status der Familie: Während Mädchen unabhängig vom Sozialstatus des Elternhauses eine hohe Putzhäufigkeit zeigten, war sie bei den Jungen höher, je höher auch der Sozialstatus der Familie war. Insbesondere bei Jungen aus Familien mit zweiseitigem Migrationshintergrund war das Putzverhalten deutlich optimierungsbedürftig – auch im Vergleich zu Jungen aus Familien ohne Migrationshintergrund. Gibt es auch Kinder/Jugendliche, die sich überhaupt nicht die Zähne putzen? Laut Studie: Ja. Fast 4 Prozent der Jungen und 1,8 Prozent der Mädchen.