Mit der Frage der Relevanz der Planung einer zahnärztlichen Implantatbehandlung auf den späteren Behandlungserfolg befasste sich vor wenigen Monaten ein spezielles Forum im Rahmen des Kongresses der DGI/Deutsche Gesellschaft für Implantologie. Dabei setzten die Referenten vor die Planung noch eine wesentliche Vorstufe: die genaue Diagnose des Patienten und damit das Erkunden all seiner gesundheitlichen „Rahmenbedingungen". Hier spielte die Frage mit hinein, ob moderne digitale Diagnostikverfahren die „Rahmenbedingungen" vor Ort, an der Stelle des geplanten Implantates, durch dreidimensionale Darstellung besser demonstrieren können als klassische bildgebende Verfahren (spezielles zweidimensionales Röntgen). Wie die Diskussion unter den Fachexperten ergab, macht es Sinn, den Einsatz solcher aufwändigen und dadurch auch kostspieligen 3D-Verfahren abhängig zu machen von der zahnärztlichen Aufgabenstellung und der erkennbaren Ausgangslage im Mund des Patienten. Nach wie vor, so das Ergebnis, ist das zahnärztliche Wissen des Behandlerteams der wichtigste Faktor für den Behandlungserfolg, moderne Technik kann eine erhebliche Unterstützer-Rolle einnehmen, Wissen, Können und Erfahrung der Zahnärzte aber nicht ersetzen.
Dass Ernährung (hier nicht zuletzt Zucker) und Munderkrankungen zusammenhängen, das wissen inzwischen die meisten Patienten. Bei einem Fachkongress zu Ernährung und Mundgesundheit vor ein paar Wochen in Stuttgart erklärten Wissenschaftler, wie sich Bestandteile der Ernährung auf das biologische Gleichgewicht im Mund auswirken. Dabei wurde deutlich: Je nachdem, was genau beispielsweise ein Kind isst, ändert sich auch der Biofilm im Mund – also die Zusammensetzung der Bakterien in den Mundbelägen. Auch deutlich wurde: Würde der Zucker allein mit Löffel gegessen, wären die schädlichen Auswirkungen nicht ganz so erheblich wie die Aufnahme einer Kombination von Zucker und sogenannter „Stärke", beispielsweise ein Weißbrot mit Marmelade oder ein Stück Kuchen. Wenn schon Brot, dann erweist sich Vollkornbrot als gesünder, weil dessen Stärke langsamer zu Zucker umgewandelt wird. Der Fruchtzucker aus Obst ist zwar auch ein „Störenfried" für den gesunden Biofilm – aber da Obst viele gesundheitsförderliche Effekte, auch auf das Immunsystem, hat und der Anteil an Fruchtzucker eher gering ist, befürworten die Wissenschaftler Obst. In seiner natürlichen Form – nicht als aufbereitete Säfte.
Bisher haben ältere Kinder und Erwachsene von den neuen Erkenntnissen der zahnmedizinischen Wissenschaft profiziert, wenn es darum ging, die Mundgesundheit zu erhalten und Zahnschäden vorzubeugen. Wer bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, hat Anspruch auf solche Vorbeugemaßnahmen, die die Krankenkassen in ihrem „Leistungsangebot" zur Verfügung stellen. Ausgeklammert waren davon bisher Kinder im Alter von 0 – 3 Jahren – also diejenigen, bei denen der Grundstein für die Mundgesundheit gelegt wird. So hat sich in den Zahnarztpraxen gezeigt, dass nicht selten schon dreijährige Kinder über ein fast völlig zerstörtes Milchgebiss verfügen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Dr. Wolfgang Eßer, erklärte kürzlich in einem Fachbeitrag einer zahnärztlichen Zeitschrift den Grund: „Frühkindliche Karies kann aufgrund des weniger widerstandsfähigen Zahnschmelzes der Milchzähne bei entsprechender kariogener Exposition sehr schnell entstehen und zu gravierenden Schäden führen." Inzwischen hat sich die Chance für die Kleinsten erheblich verbessert, auch zahnärztlich gut betreut groß zu werden: Nach entsprechenden Vereinbarungen zwischen den Zahnärzten und den Krankenkassen stehen nun auch den ganz kleinen Kindern regelmäßige Maßnahmen im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen zu.
Manches Kind hat, beispielsweise, Probleme mit dem Aussprechen des Buchstaben „S". Möglicherweise lispelt es. Dahinter steht eine Funktionsstörung: Der natürliche Ablauf beim Sprechen, das von Zunge, Zähnen, Lippen- und Wangenmuskeln gesteuert wird, ist an irgendeiner Stelle geblockt oder fehlgelenkt. Das Fachgebiet, das sich mit der Bildung von Lauten befasst und bei Sprechstörungen hilft, ist die Logopädie, Logopäden sind also Sprecherzieher. Liegt eine Lautstörung vor, arbeiten Zahnärzte, Kieferorthopäden und Logopäden gemeinsam an der Auflösung der Ursache und dem „Umlernen" der richtigen Mundbewegungsabläufe. Eine solche Behandlung verhindert auch die Weiterentwicklung einer bestehenden kleineren Sprechstörung zu einer Fehlentwicklung der Kiefer und Zahnfehlstellungen. Die zahnmedizinische Aufklärungsorganisation „proDente" veröffentlichte vor wenigen Wochen Empfehlungen für Eltern und auch Anregungen für Zahnärzte und Kieferorthopäden zur Zusammenarbeit mit Logopäden: „Zähne sind nicht nur zum Essen da. Auch zum Sprechen sind sie unentbehrlich", so Dirk Kropp, Geschäftsführer von proDente.
Wenn wissenschaftliche Fachgesellschaften einen Konsens unter den Forschern erreicht haben, wie eine Erkrankung nach heutigem Wissen am besten behandelt oder wie ihr vorgebeugt werden kann, veröffentlichen sie sogenannte „Leitlinien". Eine solche Leitlinie wurde kürzlich zur Vorbeugung von Munderkrankungen erstellt. Im Blickpunkt steht hier die Vorbeugung zuhause, das „Biofilm-Management", was so viel bedeutet wie das erfolgreiche Vorgehen gegen bakterielle Beläge auf den Zähnen und an den Zahnfleischrändern. Dabei gingen die Forscher auch der Frage nach, ob das richtige Zähneputzen beispielsweise mit Mundspüllösungen unterstützt werden kann. Es hat sich gezeigt, dass eher kosmetische Mundspülungen dabei keine relevanten Erfolge zeigen – Mundspüllösungen (also intensiver wirkende Präparate durch Zusatz von antibakteriellen Wirkstoffen) dagegen schon, zumal wenn sie ätherische Öle enthalten. Wie die Studien zeigen, verändern solche Mundspüllösungen auch bei Nutzung über mehrere Monate nicht das biologische Gleichgewicht der Bakterienfamilien in der Mundhöhle.
Finnische Wissenschaftler haben kürzlich in einem renommierten Fachjournal Ergebnisse einer Langzeit-Studie veröffentlicht, die einen neuen Blick auf die Bedeutung von Karies und Zahnbetterkrankungen bei Kindern auf deren spätere Allgemeingesundheit wirft: Über einen Zeitraum von 27 Jahren wurden Kinder daraufhin untersucht, wie sich ihre Gesundheit entwickelt – und es wurde abgeglichen, ob es bei ungesunden Entwicklungen vielleicht gemeinsame Erkrankungen in der Kindheit gab. Dabei stellte sich heraus, dass die Erwachsenen, bei denen Risikofaktoren wie beispielsweise Atherosklerose für eine Herz-Kreislauferkrankung diagnostiziert wurden, in ihrer Kindheit verschiedene Munderkrankungen hatten – je mehr, desto größer das Risiko für eine Gefäßerkrankung. Hintergrund: Das Immunsystem gerät bei Mundinfektionen aus der Balance. Über eine ganze Kaskade an Folgen entsteht schließlich die Verdichtung der Blutgefäße durch Ablagerungen (Atherosklerose) und damit steigt das Risiko für eine Störung der Durchblutung. Es hat sich aber auch gezeigt, dass insbesondere bei Behandlung der Parodontalerkrankung eine Verbesserung der Situation auch der Blutgefäße erreicht werden konnte. Intensive Mundhygiene beugt demnach auch solchen entfernt erscheinenden ungesunden Entwicklungen wie einer Atherosklerose vor.
Bösartige Mundschleimhauterkrankungen: Vorstufen erkennbar Eine sehr gute Nachricht für Patienten mit dem Risiko einer Krebserkrankung im Mundbereich: Die vielen wissenschaftlichen Erkenntnis-Fortschritte ermöglichen es den Zahnärzten heute, in einem früher nicht denkbaren Ausmaß Vorschädigungen zu erkennen und damit unerwünschten Entwicklungen vorbeugen zu können. Wie eine aktuelle Studie der Universität Toronto/Kanada gezeigt hat, wird heute Veränderungen an der Mundschleimhaut eine größere Beachtung geschenkt, und die entdeckten möglichen Krebsvorstufen werden genauer untersucht und entsprechend behandelt. Die Wissenschaftler führen die Tatsache, dass im Beobachtungszeitraum der zurückliegenden zehn Jahre mehr Mundkrebs-Fälle diagnostiziert wurden als zu Beginn der Erhebungen nicht auf eine gestiegene Anzahl von erkrankten Patienten zurück: Sie sehen die ebenfalls gestiegene Aufmerksamkeit in den Zahnarztpraxen als wesentlichen Grund an. Für die Patienten bedeutet das: Im Fall einer unerwünschten Gewebeveränderung erhalten sie schneller und fokussierter fachliche Hilfe.
Ein Wissenschaftlerteam des Massachusetts General Hospital in Boston (USA) hat sich die Aufgabe gestellt herauszufinden, ob und was Zähne alles über ihren (früheren) Besitzer berichten. Sie gehen sogar so weit zu vermuten, dass man anhand entsprechender Anzeichen in herausgefallenen Milchzähnen ablesen können müsste, ob ein Kind später als Erwachsener einmal unter einer psychischen Krankheit leiden wird. Wie sie bei einem Kongress der „American Association for the Advancement of Science" im März dieses Jahres darstellten, lasse sich an Milchzähnen gut ablesen, ob das Kind in seinen ersten Lebensjahren unter deutlichem Stress gelitten hat. In diesem Fall sind, so die Forscher, die Schmelzschichten im Zahn dünner als bei Vergleichskindern und nicht ganz so dicht – beides Risiken für die Entwicklung einer frühen Karies. Ohnehin ist der Mund ein deutlicher Signalgeber für erhöhte Belastungen des Menschen, ganz abgesehen von sichtbaren Folgen wie Knirschen oder Zähnepressen: Die bei Stress erhöhte Konzentration des Hormons Cortisol lässt sich nicht nur im Blut, sondern auch im Speichel messen. Was sich zeigte: Cortisol beeinflusst offenbar auch die Zahnentwicklung. Zu den Detailergebnissen gehörte, dass Kinder mit gestörtem Sozialverhalten und beispielsweise ADHS dünneren Zahnschmelz als Vergleichskinder hatten und auch ein kleineres inneres Zahnmark. Zähne seien durchaus nützliche Biomarker für psychische Erkrankungen.