Eigentlich ist das eine schöne Zahl, die das Robert-Koch-Institut kürzlich zum Zahngesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen veröffentlichte: Laut der KiGGS-Studie zu Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland haben in den Jahren zwischen 2014 und 2017 rund 80 % aller Kinder die Chance erhalten und auch genutzt, ihre Zahn- und Mundgesundheit bei einem Kontrolltermin in der Zahnarztpraxis prüfen zu lassen. Die Schattenseite der erfreulichen Zahl: Fast 20 % aller Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren nehmen die ihnen zustehenden Vorsorgeuntersuchungen zu selten oder gar nicht wahr. Unter denen, die als besonders gefährdet gelten, Karies und andere Mundgesundheitsstörungen zu erleiden, machen Kinder und Jugendliche aus den alten Bundesländern und in Städten wohnend den größten Anteil aus. Kerngruppen unter den Gefährdeten sind Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status und solche mit einseitigem, besonders aber mit zweiseitigem Migrationshintergrund.
Viele Menschen meinen, das Arbeitsfeld des Zahnarztes beschränke sich auf Zähne, Kiefer und Mundschleimhaut. Das sei genaugenommen überholt, meinte Kieferorthopädin Prof. Dr. Heike Korbmacher-Steiner von der Universität Gießen in einem wissenschaftlichen Beitrag für ein Fachjournal: Indirekt stehe diese Region in Wechselwirkungen mit der Atmung, der Wirbelsäule, der Muskulatur. Das mache deutlich, dass Störungen im Mundwachstum Auswirkungen auf den ganzen Körper haben. Knochen bildet sich, auch im Kieferbereich, entsprechend seiner Aufgabe und seiner Belastung. Findet keine Belastung statt, verkümmert das Knochenwachstum – ist die Belastung unnatürlich, wächst der Knochen nicht so wie er soll. Gab es in der Zeit des Kieferknochenwachstums in deutlichem Ausmaß ungesunde Angewohnheiten wie beispielsweise Daumenlutschen, erhält der Knochen die Information, sich entsprechend zu formen. Ist eine Kieferfehlstellung entstanden, können sich deren Folgen auf den ganzen Körper auswirken. Im Mundbereich auftretende Funktionsstörungen setzen sich durch die Interaktion mit Atmung, Muskulatur und Wirbelsäule in andere Bereiche des Körpers fort. Derartige Funktionsstörungen sollten daher in der Entstehung verhindert bzw. so früh wie möglich behandelt werden, um solche Folge-Schäden zu verhindern.
Als Ursache einer Zahnbettentzündung (Parodontitis) gilt eine gestörte Balance aus krankmachenden Keimen und einer entsprechenden Antwort des Immunsystems. Der Weg, der bei der Behandlung traditionell gegangen wird, ist vor allem die möglichst weitgehende Entfernung der bakteriellen Belastung: Ist der Bereich gereinigt, kann das Immunsystem wieder Oberhand gewinnen. Wie gut das Gewebe heilt, also auf das Immunsystem anspricht, hängt von verschiedenen immunologischen Faktoren ab: Wissenschaftler setzen mit neuen Wegen an genau diesem Punkt an. Zwei Forscher von der Praxishochschule in Köln veröffentlichten kürzlich eine Übersichtsarbeit über den Zusammenhang von Melatonin („Schlafhormon") und der Reaktionsfähigkeit des Immunsystems. Schlafmangel hat vielfältige negative Wirkungen auf die Gesundheit – und er beeinträchtigt die Arbeitsleistung des Immunsystems. Wie sich anhand verschiedener Studien zeigte, konnte die unterstützende Gabe von Melatonin die Entzündungsausheilung verbessern. Die Wissenschaftler sehen hier eine mögliche Alternative zu antibakteriell wirkendem Chlorhexidin, das verschiedene Nebenwirkungen zeigt. Die Wirkweise des Melatonins müsse aber noch weiter geprüft werden, um vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen.
Bei manchen Kindern ist die Zahnzerstörung schon im jungen Alter so weit fortgeschritten, dass die Zähne einer umfangsreiche Behandlung bedürfen. Je nach Aufwand erfolgt diese unter Narkose. Wie eine Wissenschaftlergruppe einer Universität in Taiwan berichtete, hatten ihre Studien ergeben, dass vier von fünf Kindern nach der Operation deutliche Schmerzen hatten – wenn sie während der Behandlung keine Schmerzmedikamente erhielten. Die Wissenschaftler, so ein Zahnärztejournal vor ein paar Wochen, ziehen daraus den Schluss, dass bei der operativen zahnärztlichen Kinderbehandlung mehr als bisher auf eine ausreichende Schmerzabschirmung geachtet werden muss. Ihr Vorschlag: Gegen Ende der oft langwierigen Operationsphase unter Vollnarkose könnte bereits ein Schmerzen senkendes Medikament gespritzt werden. Auch die Eltern sollten fachgerecht informiert und angeleitet werden, den Kindern Schmerzen nach der Operation weitgehend zu ersparen.
Ist der Einsatz eines Antibiotikums notwendig, hören Patienten oft die Frage, ob sie eine Allergie gegen Penicillin haben. Antibiotika haben eine große Vielfalt an Zusammensetzungen – manche Produkte sind speziell gegen eine bestimmte Bakterienfamilie ausgerichtet. Penicillin gilt nach wie vor als einer der zuverlässigsten Arzneimittelstoffe und wird daher gern eingesetzt. Häufiger als gemeint liegt bei Patienten, die sich als allergisch auf Penicillin reagierend bezeichnen, aber gar keine entsprechende Immunreaktion vor – darauf wiesen vor einigen Wochen Wissenschaftler in einem Beitrag im renommierten internationalen Fachjournal JAMA (Journal of the American Medical Association) hin. Auch die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie schloss sich den Ergebnissen der Forscher an und empfahl zu einer verstärkten Überprüfung einer tatsächlich vorhandenen Allergie auf Penicillin. Es wäre fatal, wenn ohne Notwendigkeit weniger wirksame Antibiotika eingesetzt und sich dadurch Resistenzen gegen die Medikamentenfamilie entwickeln würden. Beispielsweise gäbe es die Möglichkeit, auf ein anderes Penicillin auszuweichen. Auch in der Zahnmedizin werden Penicilline zur Behandlung von Infektionen eingesetzt.
Die Zähne sind über ein vielfältiges System aus Nerven und Blutbahnen und anderen Geweben mit dem gesamten Körper verbunden – das macht deutlich, warum im Falle einer Zahn-Erkrankung eine frühzeitige Behandlung erfolgen muss. Die Keime sollen nicht streuen. Vor allem bei einer tiefsitzenden Karies, aber auch bei bakteriell belasteten Zahnfleischtaschen ist das Risiko groß, dass die Mundkeime nicht nur den Kieferknochen infizieren: Eitererreger belasten Mundbogen, Mundschleimhaut und Rachen. Schwellen diese Bereiche aufgrund der Entzündung an, kann das bedrohlich werden für das Atmen, darauf wies kürzlich DDr. Christa Eder, Fachärztin für Mikrobiologie in Wien, in einem Beitrag für eine Zahnärzte-Zeitung hin. Zudem können Entzündungen am Herzen auftreten, in der Lunge, und eine Blutvergiftung (Sepsis) kann sich entwickeln. Sie hat bei ihren Forschungsarbeiten vor allem die Lebenswelt der Keime im Blick und stellte fest, dass sich manche Bakterien besonders gut entwickeln, wenn sie von den Stoffwechselprodukten anderer Bakterienfamilien leben konnten. In der Zahnarztpraxis werden solchen tiefgehenden Zahnschäden und Infektionen des ganzen Körpers durch rechtzeitige Diagnose und gegebenenfalls antibiotische Medikamente vorgebeugt.
Dass immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland unter sogenannten Kreidezähnen (MIH/Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation) leiden, ist bekannt – nach wie vor ist aber nicht eindeutig geklärt, was Ursache dieser Entwicklung ist. Kreidezähne bedeutet, dass die betroffenen Zähne, zumeist Frontzähne (Inzisivi), mit einer Schmelzbildungsstörung herauskommen, meist weißlich, aber auch bräunlich verfärbt sind. Zudem ist der Zahnschmelz nicht fest, sondern porös, was die Zähne enorm anfällig für Zahnfäule (Karies) macht. In den letzten Jahren fanden Forscher immer mehr mögliche Auslöser, vielleicht – so eine häufig geäußerte Meinung – kommen bei den betroffenen Kindern auch mehrere Faktoren zusammen. Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein wies kürzlich auf diese unterschiedlichen Erkenntnisse im Bereich der MIH-Ursachenforschung hin: Während Wissenschaftler-Kreise aus den USA Anzeichen eines Zusammenhangs von MIH und Bisphenol-A (Chemikalie, die in vielen Haushaltsprodukten enthalten ist) entdeckten, bezweifelt das hiesige Bundesinstitut für Risikobewertung einen solchen ursächlichen Zusammenhang. Die Frage nach einem eindeutigen Zusammenhang von Auslöser und Kreidezähnen ist also nach wie vor noch offen.
Die Dachgesellschaft der zahnärztlichen Wissenschaft in Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) hat bei einer Pressekonferenz vor wenigen Monaten dargestellt, dass die immer häufiger registrierte sogenannte MIH nicht nur hierzulande, sondern weltweit registriert wird. MMH bedeutet Milch-Molaren-Hypermineralisation, MIH Molaren-Inzisiven-Hypermineralisation, hier mit dem Fokus auf die „Inzisivi", die Schneidezähne. Hypermineralisation bedeutet, dass die gesunde Zahnschmelzentwicklung gestört ist – die betroffenen Zähne scheinen sich geradezu aufzulösen mit der Zeit und sehen aufgrund einer deutlichen Farbveränderung auch unschön aus. Die Wissenschaftler, hier vor allem Prof. Dr. Norbert Krämer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde, wies darauf hin, dass diese weltweite Verbreitung der Zahnentwicklungsstörung zu erhöhtem Forschungsaufwand führen müsse. Zwar gebe es bisher Vermutungen über Zusammenhänge, beispielsweise mit Kunststoffen und hier besonders den Bestandteilen Bisphenol-A und PCB. Aber auch ganz andere Faktoren könnten eine Rolle spielen. Entsprechend sei die zahnmedizinische Wissenschaft derzeit nicht in der Lage, Empfehlung zur Vermeidung dieser Entwicklung auszusprechen. Möglicherweise könnte eine erhöhte Fluorid-Dosis vorbeugend hilfreich sein, so Prof. Dr. Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin.